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Leihen Sie uns ihr Ohr!

Rechtliche Betreuung: immer mehr, immer schwierigere Fälle / Betreuungsverein des Sozialdienstes katholischer Frauen in Minden schlägt Alarm: menschenwürdige Betreuung unter veralteten Rahmenbedingungen kaum noch möglich / Aktion „Leihen Sie uns Ihr Ohr“ startet 

Achim Post,MdB SPD(1.v.links) erhielt von Geschäftsführerin Susanne Leimbach (2.v.links)symbolisch Wattestäbchen, Anette Tenspolde, Silke Schönfeld, Matthias Nolte(alle SkF) und Steffen Kampeter,MdB CDU

Im Erzbistum Paderborn und auch in Minden startet in diesen Tagen die Aktion „Leihen Sie uns Ihr Ohr“. Dabei haben Betreuer und Betreute die Möglichkeit, über ihre Situation zu berichten. In Form von besonders gestalteten Karten sollen Schicksale von Betroffenen sowie die Arbeit der Betreuer gesammelt und später öffentlichkeitswirksam präsentiert werden. „Kaum eine Personengruppe wird so wenig wahrgenommen, wie die unter rechtlicher Betreuung stehenden Menschen“, begründet Susanne Leimbach diese Initiative. Die Aktion „Leihen Sie uns Ihr Ohr“ möchte daran etwas ändern.

Die Zahl der Menschen, für die Gerichte einen rechtlichen Betreuer bestellen, ist seit dem Jahr 2000 in Deutschland um 30 Prozent gestiegen – auf aktuell rund 1,3 Millionen Menschen. „Der Bedarf an rechtlicher Betreuung wird in den nächsten Jahren noch deutlich zunehmen“, so Susanne Leimbach, Geschäftsführerin. Grund sei neben der demografischen Entwicklung die steigende Zahl von Single-Haushalten. Besonders auffällig ist die Häufung „schwieriger Fälle“. Dazu zählen insbesondere Personen, die psychisch krank oder suchtabhängig sind.

Doch für zeitaufwändige Betreuungen ist das seit 2005 geltende Finanzierungsmodell nicht ausgelegt. „Nur zu deutlich ist spürbar, dass die vom Gesetzgeber vorgesehene Zeitpauschale den Bedürfnissen und Nöten der Betreuten längst nicht mehr entspricht“, so Susanne Leimbach. Gerade für Betreuungsvereine, die sich in der Regel langfristig um Betroffene kümmerten, hat sich dieses Modell mit seinen fixen Zeitpauschalen als Falle erwiesen. Die Folge: 80 Prozent der katholischen Betreuungsvereine schreiben inzwischen rote Zahlen. Für einen längerfristig Betreuten im Heim stehen beispielsweise nach diesem Modell ca. zwei Stunden Zeit pro Monat zur Verfügung. „Nur ein einzelner Besuch bei dem Betroffenen dauert hier im ländlichen Raum inklusive Fahrtzeit schon so lange“, erklärt Silke Schönfeld , Mitarbeiterin im Betreuungsverein. Kommen dann noch die Regelung von Behördenangelegenheiten dazu, sei die Zeit schnell überschritten.

„Rechtliche Betreuung soll nach dem Willen des Gesetzgebers mehr sein als das Verwalten des Taschengeldes“, betont Susanne Leimbach. Die aktuellen Rahmenbedingungen wiesen allerdings genau in diese Richtung. In der Praxis seien die Träger aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen, immer mehr Betreuungen zu übernehmen. „Dies kann aber keine Perspektive für eine respektvolle, den Menschen zugewandte Betreuung sein.“

Grund genug für die katholischen Betreuungsvereine, Alarm zu schlagen. Aus diesem Grund hat der Sozialdienst kath. Frauen die beiden heimischen Bundestagsabgeordneten Herrn Steffen Kampeter, CDU und Herrn Achim Post, SPD nach Minden eingeladen. In einem anregenden Gespräch sind die Probleme des Betreuungsvereins auf offene Ohren gestoßen. Die Thematik konnte anhand von Beispielen aus dem Betreuungsalltag lebensnah dargestellt werden. Die Abgeordneten versprachen sich für eine Beschleunigung der nötigen Gesetzesänderung einzusetzen. In Anspielung auf die Aktion „Leihen Sie uns ihr Ohr“, gab es zum Abschluss des Gespräches für die Abgeordneten eine Packung Wattestäbchen mit dem Slogan.

Mehr Infos auch unter: www.kath-betreuungsvereine.de

Quelle: skfminden.de