SPD hadert mit Wahlergebnis

Große Koalition bei den Genossen in Lübbecke unbeliebt – Achim Post zu Gast

Lübbecke (WB). Soll das Land von einer Großen Koalition regiert werden? Diese Frage wird bald von etwa 500   000 SPD-Mitgliedern mitentschieden. Eine solche Mitgliederentscheidung hat es bisher noch nie gegeben. Bei einer Stadtverbandsversammlung in Lübbecke hat der Bundestagsabgeordnete Achim Post die tiefe Skepsis bei der Parteibasis zu spüren bekommen.

Von Christian Busse

Bis tief in Nächte ringen derzeit in Berlin die Spitzen von CDU und SPD um die Bildung einer Großen Koalition. Der heimische Bundestagsabgeordnete Achim Post ist wegen seiner Verpflichtung als Generalsekretär der Europäischen Sozialdemokratie nicht in die Verhandlungen eingebunden. Aber als beratendes Mitglied des Parteivorstandes kennt er alle Unterlagen. »Derzeit kann ich den Mitgliedern noch keine Empfehlung zur Zustimmung gebe. Es sind noch viele Fragen offen«, sagte Post vor der Parteibasis. Diese Sprachregelung hört man derzeit von vielen Spitzengenossen. Es wirkt wie ein Zugeständnis an die verunsicherte Basis, die diese Große Koalition im Grunde nicht will. Besonders ablehnend äußerte sich Ratsmitglied Manfred Muth: »Egal was wir machen. Wir können nur verlieren.« Ginge die SPD in die Große Koalition, müsste man Zugeständnisse machen. »Dann verlieren wir Mitglieder«. Gehe man nicht in die Große Koalition, würde man vor der Verantwortung fliehen. »Auch dann verlieren wir Mitglieder«, sagte Muth. »Wenn der kleine Mann wieder das Gefühl bekommt, wir lassen ihn im Stich, dann bleibt die SPD auf der Strecke. Dann sind wir erledigt«, sagte Muth.

Achim Post antwortete, dass genau das nicht passieren dürfte. »Die Partei wird nicht zerbrechen. Es ist eine schwierige Entscheidung, aber bei weitem nicht die wichtigste in der Geschichte der Sozialdemokratie«, sagte er.

Die Große Koalition beschrieb Post als notwendiges Übel. Niemand in der Partei habe diese Konstellation gewollt. Er erinnerte an das Beispiel Österreich, wo langjährige Große Koalitionen zur Stärkung der Ränder geführt hätten. »Das ist auch gesellschaftspolitisch nicht erstrebenswert. Demokratie ist dafür gemacht, dass es eine Regierung gibt und eine starke Opposition«, sagte er. Das Wahlergebnis ließe allerdings wenig Spielraum zu. »Gysi wäre bei einer Großen Koalition Oppositionsführer. Und wenn der eins gut kann, dann ist das Reden«, machte Post die Nachteile deutlich.

Achim Post nannte Bedingungen für seine private Zustimmung zu dem neuen Bündnis: »Der Mindestlohn von 8,50 Euro ist gesetzt und zwar so schnell wie möglich und für alle«, sagte er. Die Einigung auf einen Mindestlohn irgendwann in einer Höhe, die noch zu verhandeln ist, werde er nicht mitmachen. Dem pflichtete Ratherr Michael Wolski bei: »Wenn ich zu unseren Wählern nicht mit einem flächendenkenden Mindestlohn zurückkomme, dann brauche ich mich da nicht mehr blicken lassen.« Die Mitgliederbefragung der SPD sieht Achim Post als große Chance an. »Bei uns kann man mitbestimmen«, sagt er. Zudem wirkt es bei den Verhandlungen mit der CDU und der CSU als Druckmittel. »Es gab bisher keine Koalition, die so gründlich mit der Basis diskutiert wurde und bei der die Mitglieder am Ende die Entscheidung treffen«, so Post. Derzeit profitiert die SPD von diesem Mitspracherecht: Seit der Bundestagswahl sind allein in NRW 2000 neue Mitglieder aufgenommen worden.

Als die Frage aufkam, was passieren würde, wenn man mehrheitlich die Koalition ablehnen würden, wurde Post zuerst schweigsam. Dann aber skizzierte er doch eine mögliche Folge: »Die CDU wird bei den Grünen noch mal anfragen und die werden alle unsere ausgehandelten Punkte wie Mindestlohn und die Eindämmung der Leih- und Zeitarbeit als ihre Erfolge verkaufen.« Sollte es gar keine Lösung geben, würden Neuwahlen erfolgen. »Das will derzeit aber wirklich keiner der neu gewählten Bundestagsmitglieder.«

Quelle: WB vom 21.11.2013