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SPD fasst Beschluss für „Eine neue Ost- und Entspannungspolitik“

Bei ihrer Jahresauftaktklausur in Nauen hat die SPD heute einen wichtigen Beschluss gefasst, in der ein neue Ost- und Entspannungspolitik gefordert wird. Gerade im Hinblick auf der Krise in der Ostukraine ist eine neue Politik notwendig:

1. Sozialdemokratische Friedens- und Entspannungspolitik

Die aktuellen gemeinsamen Bemühungen von Bundeskanzlerin Merkel und des französischen Präsidenten Hollande begrüßen und unterstützen wir ausdrücklich. Es muss in den kommenden Tagen darum gehen, konkrete Fortschritte für eine dauerhafte und verlässliche Waffenruhe zu erreichen, um so die Grundlage für weitere politische Friedensverhandlungen in der Ostukraine zu legen. Insbesondere die russische Führung ist jetzt aufgefordert, in ernsthafte und konstruktive Verhandlungen einzusteigen und ihre Möglichkeiten zu einer Beruhigung der Lage vollständig zu nutzen.

Für uns ist klar: Für diesen Konflikt kann es keine militärische Lösung geben. Die Lieferung von Waffen trägt nicht zur Entschärfung des Konfliktes bei. Deshalb wird es mit der SPD keine Waffenlieferung in die Ukraine geben.

Die Sozialdemokratische Partei Deutschlands steht seit ihrer Gründung vor mehr 150 Jahren für eine Politik des Friedens und der internationalen Verständigung. Entstanden in der Ära des Imperialismus und der Unterdrückung des Selbstbestimmungsrechts der Völker hat die Sozialdemokratie ihre Werte der Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität immer auch als internationalen Auftrag für eine gerechte Friedensordnung verstanden. Mutige Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben im 20. Jahrhundert ihren Widerstand gegen den nationalsozialistischen Angriffs- und Vernichtungskrieg mit Haft, Verfolgung und Tod bezahlt.

Die sozialdemokratische Ostpolitik der 1960er und 1970er Jahre öffnete in Deutschland das Bewusstsein dafür, welche unvorstellbaren Opfer die damalige Sowjetunion bei der Niederringung von Hitler und der Befreiung von Auschwitz erbracht hatte. Sie begann in Moskau und nahm  anschließend die Aussöhnung mit Polen und der damaligen Tschechoslowakei in den Blick. Dass die Deutschen heute als „Volk der guten Nachbarn“ in Europa leben können, so die Formulierung Brandts in seiner ersten Regierungserklärung 1969, verdanken wir seiner Entspannungspolitik. Sie hat bis heute nichts von seiner Bedeutung verloren. Zu den Nachfolgestaaten der Sowjetunion gehören heute nicht nur Russland, sondern auch die unabhängigen Staaten Ukraine und Weißrussland – und auch ihre Völker haben, wie das russische, unvorstellbare Opfer erleiden müssen. Auch ihnen gegenüber tragen wir Verantwortung.

Nach 1945 sind viele Sozialdemokraten in der DDR und in den Staaten Mittel- und Osteuropas bei Gefahr für ihr Leben gegen die Unterdrückung durch die kommunistische Gewaltherrschaft eingetreten. Gegen Diktatur, Willkür und Gewalt, für Freiheit, Demokratie und eine friedliche Lösung von Konflikten – in dieser Linie hat die SPD eine Politik der Entspannung entwickelt. Sie war klar im Grundsatz, aber offen und beweglich in den Mitteln und Wegen. Dies leitete einen „Wandel durch Annäherung“ ein.

„Der Frieden ist nicht alles, aber alles ist ohne Frieden nichts.“

Dieser Satz Willy Brandts ist und bleibt unverändert ein Leitsatz sozialdemokratischer Außen- und Sicherheitspolitik.

Die Anerkennung der europäischen Nachkriegsgrenzen, die territoriale Integrität der Staaten, der allseitige Verzicht auf Androhung oder Anwendung von Gewalt mit dem Prinzip der Selbstbestimmung waren Ausgangspunkt und Kern des KSZE-Prozesses. Helmut Schmidt hat als Bundeskanzler an der Verabschiedung der 1975 in Helsinki unterzeichneten Schlussakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) großen Anteil gehabt. Darin heißt es:

„Die Teilnehmerstaaten werden gegenseitig ihre souveräne Gleichheit und Individualität sowie alle ihrer Souveränität innewohnenden und von ihr umschlossenen Rechte achten, einschließlich insbesondere des Rechtes eines jeden Staates auf rechtliche Gleichheit, auf territoriale Integrität sowie auf Freiheit und politische Unabhängigkeit. Sie werden ebenfalls das Recht jedes anderen Teilnehmerstaates achten, sein politisches, soziales, wirtschaftliches und kulturelles System frei zu wählen und zu entwickeln sowie sein Recht, seine Gesetze und Verordnungen zu bestimmen.“

„Die Teilnehmerstaaten werden sich dementsprechend jeglicher Handlung enthalten, die eine Gewaltandrohung oder eine direkte oder indirekte Gewaltanwendung gegen einen anderen Teilnehmerstaat darstellt.“

„Die Teilnehmerstaaten werden die Menschenrechte und Grundfreiheiten, einschließlich der Gedanken-, Gewissens-, Religions- oder Überzeugungsfreiheit für alle ohne Unterschied der Rasse, des Geschlechts, der Sprache oder der Religion achten.“

„Kraft des Prinzips der Gleichberechtigung und des Selbstbestimmungsrechts der Völkerhaben alle Völker jederzeit das Recht, in voller Freiheit, wann und wie sie es wünschen, ihren inneren und äußeren politischen Status ohne äußere Einmischung zu bestimmen und ihre politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Entwicklung nach eigenen Wünschen zu verfolgen.“

Die Berufung auf diese Prinzipien ermöglichten und begleiteten die friedlichen Revolutionen in Osteuropa und führten nach dem Fall der Mauer hinüber in eine Ära der Partnerschaft mit einer Vielzahl von Abkommen zwischen Russland, den Nachfolgestaaten der Sowjetunion und der EU, in die mit Polen an vorderer Stelle neue Mitglieder strebten. Mit der Verabschiedung der Charta von Paris 1990 ist es den Staaten Europas einschließlich Russlands und den USA nach der Vereinigung Deutschlands und dem Ende der Block-Konfrontation gelungen, eine verbindliche Vereinbarung zur Schaffung einer neuen friedlichen Ordnung zu schließen.

Die Erweiterung der Europäischen Union 2004 vierzehn Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs um die Staaten Mittel- und Osteuropas  war und ist eine beispiellose politische, wirtschaftliche und kulturelle Erfolgsgeschichte. Davon hat das vereinigte Deutschland in besonderer Weise profitiert. Wir tragen heute besondere Verantwortung, eine neue politische Antwort auf die Krise zu entwickeln.

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